Gute Vorsätze und Public Health: Neujahrs-Assoziationen [Gesundheits-Check]

Ordnung und Wissen Die alten Griechen waren sich ziemlich sicher, dass wir einen Kosmos bewohnen, an einer Weltordnung teilhaben, auch wenn sich Götter ebenso wie Menschen unablässig bekriegt haben und wir Menschen vom wahren Geschehen nur Schattenbilder an der Höhlenwand sehen. Es war, wie es war. Später, unter monotheistischem Himmel, war im Himmel alles eins,…

Jan 14, 2025 - 11:14
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Gute Vorsätze und Public Health: Neujahrs-Assoziationen [Gesundheits-Check]

Ordnung und Wissen

Die alten Griechen waren sich ziemlich sicher, dass wir einen Kosmos bewohnen, an einer Weltordnung teilhaben, auch wenn sich Götter ebenso wie Menschen unablässig bekriegt haben und wir Menschen vom wahren Geschehen nur Schattenbilder an der Höhlenwand sehen.

Es war, wie es war. Später, unter monotheistischem Himmel, war im Himmel alles eins, manchmal dreifaltiger Natur, und für die Menschen auf Erden trotzdem Platz zum Streiten. Auch wenn es nur eine Wahrheit gibt, kann es darüber viele Ansichten geben, vor allem, wenn der eine Gott auf seiner Unerkennbarkeit besteht und seine Gebote ohne juristisch ausreichende Kommentierung übermittelt. Man kam damit zurecht. Es war zwar ersichtlich nicht alles gut, was der eine Gott geschaffen hat, aber die prästabilierte Harmonie versöhnte irgendwie doch das Gute mit allem anderen. Es war die bestmögliche aller Welten, Gottes Werk, von Gottes Hand verbürgt.

Noch etwas später hat eine andere unsichtbare Hand, es war nicht mehr die Gottes, sondern die des Marktes, das Gleichgewicht der Dinge besorgt. Manche meinten, damit sei mehr erreicht, als der Mensch je verstehen könne. Planung sei eine Anmaßung des Wissens, die die spontane Ordnung nur störe. Bei dieser Neuinterpretation des Verbots, vom Baum der Erkenntnis zu essen, trafen sich Neoliberale und Systemtheoretiker. Komplexe Systeme lassen sich nicht im Detail verstehen und ihre Entwicklung lässt sich nicht planen, hieß es. Dass trotzdem am Ende das Gute siegt, wenn man es lässt, war auch eine Form der Evolutionstheorie. Oder der Dialektik der Aufklärung, einer Vernunftkritik mit Hoffnung auf eine trotzdem vernünftige Entwicklung der Welt.

Freiheit

Wie dem auch sei, der vernunftbegabte Mensch, nach Herder der erste Freigelassene der Schöpfung, das nichtfestgestellte Tier, wie es Nietzsche formulierte, trägt seinen Teil zur Unwägbarkeit der Weltenläufte bei. Die Hoffnung der Aufklärung bestand darin, dass der Mensch in der Lage sei, sich des eigenen Verstands zu bedienen. Dann würde alles gut. Aber wer derart frei ist, ist nicht berechenbar. Der Behaviorismus glaubte im Rückwärtsgang lieber wieder an deterministische Gesetze des Verhaltens, und fand sein Ende, Kants Rache, in der Fähigkeit des Menschen, den Reizen unterschiedliche Bedeutungen zu geben und so unaufhebbare Replikationskrisen der Sozialwissenschaften zu provozieren. Ökonomische Anreize sind nicht frei von diesem Schicksal.

Gottvertrauen oder Planen

Kein Wunder, dass das Vertrauen in den Fortschritt als zielsicherem Weg des Weltgeistes hinter dem Rücken seiner Akteure verloren ging. Nicht einmal auf den Markt war Verlass, wiederholte Krisen ließen seine unsichtbare Hand zum Gespenst des Kapitals werden. Laissez faire war nicht die Lösung. Irgendwie muss man trotz aller Unwägbarkeiten doch auch selbst Hand anlegen, und zeigen nicht die großen Trends und Pfadabhängigkeiten, dass ein bisschen Mitplanen in all dem Chaos und all der Komplexität möglich ist? Zumal mit immer mehr Daten? Schließlich leben wir in einer Wissensgesellschaft. Follow the Science hieß es zuletzt, neuer Mut in die Verstehbarkeit der Welt und die wissenschaftliche Politikberatung, begleitet von Warnungen vor einer Epistemisierung des Politischen, der erneuten Monotheisierung wider die neue Göttervielfalt der interessensgebundenen Expertisen.

Muddling through

Das ist die Welt von Public Health heute. Wo es stark biologisch fundiert zugeht, geben RCTs noch einigermaßen Sicherheit. Aber je mehr es menschelt, je mehr menschliche Entscheidungen eine Rolle spielen, desto offener wird die Zukunft, Big Data hin oder her. Die informierte Entscheidung kann in verschiedene Richtungen gehen, oder die Richtung ändern. Empowerment erhöht die Unvorhersagbarkeit von unten nur, trotz Nudging und anderer Versuche, die Sache wieder einzufangen. Von oben sieht es nicht besser aus. Die Gesellschaft ist, soweit sie als komplexes System gilt, in ihrer Entwicklung per se schwer einschätzbar und das Gemeinwohl zudem nicht von unten aufzubauen. Arrow said. Als ob alles nicht auch so schon kompliziert genug wäre.

Und doch kann man die Dinge nicht einfach laufen lassen. Es ist in der Tat nicht ganz einfach, Finanzkrisen, BIP, Lebenserwartung, Klimawandel, Migration, Gesundheitsausgaben, Gesundheitstrends und TikTok im Zusammenhang zu sehen, Schattenbilder in der Höhle sind trotzdem besser als nichts. Wir tasten uns voran, Schritt für Schritt, manchmal in die falsche Richtung. Eigentlich wie immer, seit den alten Griechen.

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