Giftige Blausäure: Worin sie steckt und worauf Verbraucher achten sollten

Einige Lebensmittel enthalten von Natur aus Blausäure. Dabei handelt es sich um eine akut toxische Substanz. Im Interview erklärt Birgit Hinsch, Oecotrophologin bei ÖKO-TEST, bei welchen Nahrungsmitteln man vorsichtig sein sollte und wie Blausäure auf den menschlichen Körper wirkt. Giftige Blausäure in Leinsamen entdeckt: In unserem aktuellen Test erhalten 14 von 19 Produkten Minuspunkte aufgrund des analysierten erhöhten Blausäuregehalts. Warum ist Blausäure ein Problem in Leinsamen und in welchen Lebensmitteln kann sie ebenfalls vorkommen? Birgit Hinsch, Oecotrophologin und Projektleiterin bei ÖKO-TEST, gibt Antworten. Was genau ist Blausäure? Birgit Hinsch: Blausäure (Cyanwasserstoff) ist eine hochgiftige Substanz, die natürlicherweise in gebundener Form als sogenannte cyanogene Glykoside in einigen pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt. Beim Verzehr und bei der Verdauung wird Blausäure durch das pflanzeneigene Enzym β–Glucosidase freigesetzt. Auch Schroten oder Mahlen, etwa von Leinsamen, führt zur enzymatischen Freisetzung von Blausäure. Welche Funktion hat der Stoff in Pflanzen? Hinsch: Die blausäurehaltigen Glykoside zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen. Sie dienen den Pflanzen zum Schutz vor Fraßfeinden. Leinsamen sind gesund: Sie versorgen uns mit Ballaststoffen, Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren. Doch nicht für alle Menschen sind Leinsamen zu empfehlen. Wir erklären, wann Sie das regionale Superfood besser nicht essen sollten.Blausäure in Leinsamen, Bittermandeln & Co.  Welche Lebensmittel enthalten Blausäure? Hinsch: Bekannt für ihren hohen Gehalt an Blausäure sind vor allem Bittermandeln, bittere Aprikosenkerne und Maniok (Cassava). Auch Leinsamen enthalten Blausäure.  Bei welchen Nahrungsmitteln ist besondere Vorsicht geboten? Hinsch: Hohe Risiken bestehen vor allem beim Verzehr von Bittermandeln und bitteren Aprikosenkernen. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung sollten Verbraucherinnen und Verbraucher deshalb nicht mehr als zwei bittere Aprikosenkerne pro Tag verzehren oder völlig darauf verzichten. Kinder sollten diese Kerne gar nicht zu sich nehmen. Das gilt auch für Bittermandeln. Verarbeitete Produkte wie Marzipan oder Persipan sind hingegen unbedenklich. Bei Maniok sorgen traditionelle Verfahren wie Wässern, Mahlen oder Trocknen für eine Verringerung der Blausäurebelastung. Und worauf sollte man beim Essen von Leinsamen achten?  Hinsch: Nach dem Verzehr von geschroteten Leinsamen steigen die Blausäurespiegel im Blut im Vergleich zu Bittermandeln und Aprikosenkernen geringer an. Das liegt daran, dass in Leinsamen weniger β–Glucosidasen stecken und weniger Blausäure frei wird. Trotzdem sollte man geschrotete Leinsamen vor dem Verzehr sicherheitshalber auf mehr als 26 Grad Celcius erhitzen. Die giftige Blausäure verflüchtigt sich dann. Übrigens: Geröstete, gebackene oder gekochte Leinsamen sind unbedenklich, ebenso wie Leinöl.Leider enttäuschen viele geschrotete Leinsamen in unserem Test. Grund dafür ist nicht nur die berüchtigte Bildung von Blausäure. Im Labor zeigten sich auch Probleme wie Belastungen mit Mineralölbestandteilen und Anzeichen für Fettverderb.Blausäure kann Vergiftungserscheinungen verursachen Wie wirkt Blausäure auf den menschlichen Körper? Hinsch: Blausäure blockiert die Zellatmung. Ab einer gewissen Konzentration kann es zu Vergiftungserscheinungen wie starken Kopfschmerzen, Übelkeit, Atemnot und Schwindel kommen – in schweren Fällen bis zum Koma oder sogar zum Tod. Kann der Blausäuregehalt von der Industrie kontrolliert werden? Hinsch: In der EU gelten Grenzwerte für Blausäure in Leinsamen, Aprikosenkernen, Mandeln und Maniok. Die Hersteller sind somit in der Pflicht, die Gehalte im Rahmen ihrer Qualitätssicherung zu überprüfen und die Grenzwerte einzuhalten. Wie bewertet ÖKO-TEST Blausäure im Leinsamen-Test? Hinsch: ÖKO-TEST bewertet Blausäure gemäß EU-Verordnung. Leinsamen, deren Gehalt den Grenzwert überschreitet, können bestenfalls "mangelhaft" abschneiden. Schöpfen die Gehalte den Grenzwert zu mehr als der Hälfte aus, können die Produkte aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes bestenfalls "befriedigend" abschneiden. Weiterlesen auf oekotest.de:  Schimmelpilzgift in Apfelsaft: Was hat es mit Patulin auf sich? Falafel im Test: Nur Produkte mit Bio-Siegel können überzeugen Räuchertofu im Test: Ist geräucherter Tofu gesund? Veganer Käse-Test: Über die Hälfte mit Mineralöl belastet

Jan 23, 2025 - 07:18
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Giftige Blausäure: Worin sie steckt und worauf Verbraucher achten sollten

Einige Lebensmittel enthalten von Natur aus Blausäure. Dabei handelt es sich um eine akut toxische Substanz. Im Interview erklärt Birgit Hinsch, Oecotrophologin bei ÖKO-TEST, bei welchen Nahrungsmitteln man vorsichtig sein sollte und wie Blausäure auf den menschlichen Körper wirkt. 

Giftige Blausäure in Leinsamen entdeckt: In unserem aktuellen Test erhalten 14 von 19 Produkten Minuspunkte aufgrund des analysierten erhöhten Blausäuregehalts. Warum ist Blausäure ein Problem in Leinsamen und in welchen Lebensmitteln kann sie ebenfalls vorkommen? Birgit Hinsch, Oecotrophologin und Projektleiterin bei ÖKO-TEST, gibt Antworten.

Was genau ist Blausäure?

Birgit Hinsch: Blausäure (Cyanwasserstoff) ist eine hochgiftige Substanz, die natürlicherweise in gebundener Form als sogenannte cyanogene Glykoside in einigen pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt. Beim Verzehr und bei der Verdauung wird Blausäure durch das pflanzeneigene Enzym β–Glucosidase freigesetzt. Auch Schroten oder Mahlen, etwa von Leinsamen, führt zur enzymatischen Freisetzung von Blausäure.

Welche Funktion hat der Stoff in Pflanzen?

Hinsch: Die blausäurehaltigen Glykoside zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen. Sie dienen den Pflanzen zum Schutz vor Fraßfeinden. 

Leinsamen sind gesund: Sie versorgen uns mit Ballaststoffen, Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren. Doch nicht für alle Menschen sind Leinsamen zu empfehlen. Wir erklären, wann Sie das regionale Superfood besser nicht essen sollten.

Blausäure in Leinsamen, Bittermandeln & Co. 

Welche Lebensmittel enthalten Blausäure?

Hinsch: Bekannt für ihren hohen Gehalt an Blausäure sind vor allem Bittermandeln, bittere Aprikosenkerne und Maniok (Cassava). Auch Leinsamen enthalten Blausäure. 

Bei welchen Nahrungsmitteln ist besondere Vorsicht geboten?

Hinsch: Hohe Risiken bestehen vor allem beim Verzehr von Bittermandeln und bitteren Aprikosenkernen. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung sollten Verbraucherinnen und Verbraucher deshalb nicht mehr als zwei bittere Aprikosenkerne pro Tag verzehren oder völlig darauf verzichten. Kinder sollten diese Kerne gar nicht zu sich nehmen. Das gilt auch für Bittermandeln.

Verarbeitete Produkte wie Marzipan oder Persipan sind hingegen unbedenklich. Bei Maniok sorgen traditionelle Verfahren wie Wässern, Mahlen oder Trocknen für eine Verringerung der Blausäurebelastung.

Und worauf sollte man beim Essen von Leinsamen achten? 

Hinsch: Nach dem Verzehr von geschroteten Leinsamen steigen die Blausäurespiegel im Blut im Vergleich zu Bittermandeln und Aprikosenkernen geringer an. Das liegt daran, dass in Leinsamen weniger β–Glucosidasen stecken und weniger Blausäure frei wird.

Trotzdem sollte man geschrotete Leinsamen vor dem Verzehr sicherheitshalber auf mehr als 26 Grad Celcius erhitzen. Die giftige Blausäure verflüchtigt sich dann. Übrigens: Geröstete, gebackene oder gekochte Leinsamen sind unbedenklich, ebenso wie Leinöl.

Leider enttäuschen viele geschrotete Leinsamen in unserem Test. Grund dafür ist nicht nur die berüchtigte Bildung von Blausäure. Im Labor zeigten sich auch Probleme wie Belastungen mit Mineralölbestandteilen und Anzeichen für Fettverderb.

Blausäure kann Vergiftungserscheinungen verursachen

Wie wirkt Blausäure auf den menschlichen Körper?

Hinsch: Blausäure blockiert die Zellatmung. Ab einer gewissen Konzentration kann es zu Vergiftungserscheinungen wie starken Kopfschmerzen, Übelkeit, Atemnot und Schwindel kommen – in schweren Fällen bis zum Koma oder sogar zum Tod.

Kann der Blausäuregehalt von der Industrie kontrolliert werden?

Hinsch: In der EU gelten Grenzwerte für Blausäure in Leinsamen, Aprikosenkernen, Mandeln und Maniok. Die Hersteller sind somit in der Pflicht, die Gehalte im Rahmen ihrer Qualitätssicherung zu überprüfen und die Grenzwerte einzuhalten.

Wie bewertet ÖKO-TEST Blausäure im Leinsamen-Test?

Hinsch: ÖKO-TEST bewertet Blausäure gemäß EU-Verordnung. Leinsamen, deren Gehalt den Grenzwert überschreitet, können bestenfalls "mangelhaft" abschneiden. Schöpfen die Gehalte den Grenzwert zu mehr als der Hälfte aus, können die Produkte aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes bestenfalls "befriedigend" abschneiden.

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