Emotionale Ansteckung: Wenn der Stress überspringt: Hunde spüren die Emotionen ihrer Besitzer

Wie stark beeinflussen unsere Emotionen das Wohlbefinden unserer Vierbeiner? Zwei neue Studien aus Irland und Finnland geben überraschende Einblicke in die Verbindung zwischen Mensch und Hund

Jan 15, 2025 - 15:07
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Emotionale Ansteckung: Wenn der Stress überspringt: Hunde spüren die Emotionen ihrer Besitzer

Wie stark beeinflussen unsere Emotionen das Wohlbefinden unserer Vierbeiner? Zwei neue Studien aus Irland und Finnland geben überraschende Einblicke in die Verbindung zwischen Mensch und Hund

Viele Hunderhalterinnen und Hundehalter kennen das Gefühl, dass der eigene Hund ein feines Gespür für ihre Gemütslage besitzt und diese sogar manchmal mit ihnen teilt. Geht es uns gut und sind wir energiegeladen, neigen auch unsere Vierbeiner dazu, freudig herumzutollen. Geht es Herrchen oder Frauchen hingegen schlecht, zeigen Hunde häufig ein deutlich ruhigeres Verhalten und suchen die Nähe zu ihrem Lieblingsmenschen. Wissenschaftlich untersucht wurde diese emotionale Übertragung über Artgrenzen hinweg bislang allerdings nur in Ansätzen.

Wie tiefgreifend sich die Verbindung zwischen Mensch und Hund auf emotionaler Ebene entwickeln kann und dass sich diese Verbundenheit sogar messen lässt, zeigen zwei neue Studien – eine der Queen's University Belfast und eine der Universität Helsinki. Beide Teams analysierten, wie und in welcher Form Hunde auf einen erhöhten Stresslevel ihrer Halter reagieren und ob sich dies anhand der Herzfrequenzen von Mensch und Hund ablesen lässt – die Ergebnisse sind faszinierend.

Synchronisation der Herzfrequenz

Die Forschenden der Queen's University Belfast nahmen für ihre Untersuchung 28 Hund-Mensch-Paare genauer unter die Lupe. Den Rahmen bildete ein nachgestellter Tierarztbesuch – eine für Mensch und Tier wenig erfreuliche Situation. Dazu wurden die Besitzerinnen und Besitzer vor zwei unterschiedliche Aufgaben gestellt: eine Rechen- oder Präsentationsaufgabe, die Stress auslösen sollte, und eine entspannende Meditation. Mensch und Tier trugen während des Experiments Messgeräte, über welche die Wissenschaftler die Herzfrequenzen jederzeit messen konnten.

Können Hunde mit Buttons kommunizieren

Die Ergebnisse, erschienen im Fachjournal "Applied Animal Behaviour Science", sind eindeutig: Die Herzfrequenz der Hunde zeigte eine klare Synchronisation mit der ihrer Menschen. Besonders während der stressigen Phasen übernahmen die Vierbeiner die Anspannung ihrer Halter: War der Puls von Herrchen oder Frauchen schnell, so verhielt sich der Puls des Vierbeiners in gleicher Weise.

Erstaunlich ist insbesondere die Erkenntnis, dass die Herzfrequenzveränderungen der Hunde unmittelbar mit denen ihrer Bezugspersonen korrelierten, ohne dass es eine direkte Interaktion zwischen Mensch und Tier gab. Die Tiere orientierten sich in stressigen wie entspannten Situationen am emotionalen Zustand von Herrchen oder Frauchen. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hunde die Fähigkeit besitzen, sich von ihren Besitzern in neuen Situationen emotional anstecken zu lassen – auch auf physiologischer Ebene", so Dr. Gareth Arnott,  einer der Erstautoren der irischen Studie.

Hunde lassen sich von Emotionen anstecken

Das finnische Forschungsteam, das in Experimenten die Herzfrequenzvariabilität (HRV) – Schwankungen der Herzfrequenz von Schlag zu Schlag innerhalb eines bestimmten Zeitraums – bei Mensch und Hund maß, kam zu ähnlichen Ergebnissen. Es wollte herausfinden, ob sich die Variabilität der Herzfrequenz bei Mensch und Hund während sozialer Interaktionen – zum Beispiel beim Kuscheln und Toben – angleicht und ob die Art der Interaktion dabei einen Unterschied macht.

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Die Versuche mit 25 Hund-Mensch-Paarungen zeigten, dass sich die Herzfrequenz von Hunden und ihren Besitzern während gemeinsamer Aktivitäten synchronisierte. Und zwar nicht nur bei körperlich anstrengenden Aktivitäten, sondern auch in Ruhephasen. Dieses Phänomen ist auch als "emotionale Co-Modulation" bekannt, wie wir sie auch von der Bindung zwischen Menschen kennen. "Wir kommen zu dem Schluss, dass sowohl die physiologischen als auch die emotionalen Mechanismen, die an der Stärkung der Bindungen zwischen Menschen beteiligt sind, auch die emotionale Beziehung zwischen Mensch und Hund unterstützen“, schreiben die Forschenden abschließend im Fachjournal "Scientific Reports". Die Herzfrequenz von Mensch und ihrem Vierbeiner gleicht sich an, weil beide starke Emotionen wie Freude oder Angst empfinden.

Konsequenzen für den Alltag

Die Ergebnisse beider Studien zur "emotionalen Ansteckung" verdeutlichen, wie eng die Bindung zwischen Mensch und Hund ist – nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf physiologischer Ebene. Die Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven auf das Verständnis der Mensch-Tier-Beziehung und sind nicht nur wissenschaftlich interessant, sondern auch im Alltag von Bedeutung. Wenn Hunde die Emotionen von Herrchen und Frauchen so stark spüren, sollten wir uns bewusst sein, wie unmittelbar unser Verhalten das Wohlbefinden der Tiere beeinflusst.

Gerade in stressigen Situationen – etwa bei einem Tierarztbesuch – kann es hilfreich sein, bewusst Ruhe auszustrahlen. Zusätzlich empfehlen Fachleute, Hunden vor fordernden Situationen ausreichend Zeit zur Akklimatisierung zu geben, um unnötigen Stress zu vermeiden. Dr. Gareth Arnott von der Queen's University Belfast merkt an: "Unsere Forschung hat gezeigt, dass die Herzfrequenz von Hunden abnimmt, wenn sie sich an eine neue Umgebung gewöhnt haben. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, Hunden Zeit zu geben für neue Situationen. Das kann die Genauigkeit körperlicher Untersuchungen etwa beim Tierarztbesuch verbessern.“

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Eine Bindung, die verpflichtet

Studien, die darauf hinweisen, dass Hunde wahre Meister darin sind, menschliche Emotionen zu spüren und sogar nachzuempfinden, gab es in der Vergangenheit schon einige. So konnten Forscher aus Großbritannien 2024 nachweisen, dass sich Stressgerüche von Hundehaltern negativ auf das Lernen und den emotionalen Zustand ihrer Hunde auswirken. Und im Jahr 2019 zeigte eine Studie der schwedischen Universität Linköping zu den Cortisol-Werten von Menschen und ihren Tieren, dass Hunde nicht nur die Gefühle ihres Lieblingsmenschen erkennen, sondern sich sogar von ihnen anstecken lassen.

Die Fähigkeit, menschliche Emotionen zu erkennen und darauf zu reagieren, macht Hunde nicht nur zu treuen Begleitern, sondern auch zu Spiegeln unserer eigenen Gefühle. Wenn wir Menschen gestresst sind, können die Vierbeiner unsere Anspannung übernehmen – eine Eigenschaft, die sie gleichzeitig sensibel und verletzlich macht. Diese Verbindung sollte uns daran erinnern, wie wichtig es ist, achtsam mit uns selbst – und mit unseren Hunden – umzugehen.

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